cookieOptions = {...}; Bücherliebhaber: Als der Himmel uns gehörte - Charlotte Roth

Donnerstag, 21. Mai 2015

Als der Himmel uns gehörte - Charlotte Roth

Hallöchen,

ich muss ehrlich sagen ich habe noch nie einen Roman gefunden, der mir so derartig gut gefallen hat. Die Vielfältigkeit, die Detailgenauigkeit, der Stil, die Emotion, das Rundumpaket passte einfach perfekt. Als der Himmel noch uns gehörte hat mir als Leserin und Sportlerin das Herz im wahrsten Sinne des Wortes gestohlen. Danke für dieses tolle Buch!

Jenny Feldman ist Langstreckenläuferin und will zu Olympia. Unbedingt. Doch sie hat ein Problem. Auf den 10000 Metern dreht sie irgendwann immer durch und bricht total entkräftet zusammen. Ihr Kopf spielt einfach nicht mit. Ihr Trainer will sie zu den Trials nicht melden, er will sich wegen ihrer Nerven nicht den Ruf ruinieren.
Doch Gregory O'Reilly glaubt an sie. Er weiß, dass sie nicht den richtigen Trainer hat, dass sie eine Blockade hat, die gelöst werden muss, um sie zum Star der Olympischen Spiele in London 2012 zu werden. Dabei ist es schon Herbst 2011. Und er weiß, dass ihre Großmutter niemand anderes als Alberta Bernhardt war, heute Lady Alberta Bernhardt Seaton-Carew, selbst Olympiasiegerin. Jedoch damals als Deutsche und zwar 1936. Grandma Alberta ist Deutsche? Eine Olympiasiegerin?
Was wusste Jenny noch alles nicht über ihre Familie?
Auf dem Weg zu Olympia droht Jenny zu scheitern, aber dann entschließt sie sich zu ihrer Urgroßmutter zu fahren und sich ihre Geschichte anzuhören. Doch ihre Großmutter weiß um den Wunsch von Olympia und stellt Bedingungen unter denen sie Jenny ihre Geschichte erzählt. Eine Geschichte die 70 Jahre zurück liegt, eine Geschichte mit Sportsgeist und Menschen gefangen in den Krallen des 3. Reiches...

Von Anfang an war ich fasziniert von dem Buch in welches ich als Leseprobe reingeschnuppert habe. Doch da wusste ich noch nicht, wie genau die Geschichte dargestellt wird.
Es ist nicht einfach eine Geschichte um Jennys Weg zu Olympia. Nein die Geschichte beschäftigt sich mit so viel mehr, dass ich mich noch gar nicht entscheiden kann, wo ich anfangen soll.
Vielleicht fange ich einfach mit Jenny an. Von Anfang an war mir Jenny, ihre Gemütslage, ihre Probleme, ihr Verlangen nach dem größten Wettkampf, den man als Sportler erleben kann vertraut. Ich konnte mich so gut in sie hinein versetzen, dass ich mich als Bestandteil der Geschichte fühlte. Das war der Wahnsinn. Ich war selbst Sportlerin (auch im Hochleistungssport) und konnte es einfach so gut nachvollziehen. Ihre Zweifel an sich selbst. Der eiserne Wille mehr erreichen zu wollen. Es allen zu beweisen. Eines besseren zu belehren. Sich durchbeißen auch wenn es weh tut. Stahlhart sein. Wie sehr sie anscheinend auch unter ihrem Trainer leidet kenne ich ebenfalls. Das alles war mir so vertraut. Auch das Gefühl, was beschrieben wird, als sie (durch ihren Stiefvater) einen Teil der Olympiahymne hört. All das fühl(t)e ich auch. Den Stolz, die Kraft, den Willen in mir. Ich kann es nicht einmal richtig beschreiben es war echt einfach überwältigend, wie ähnlich ich mich diesem fiktiven Charakter gefühlt habe.
Aber eigentlich steht noch nicht einmal Jennys Geschichte, ihre Probleme im Vordergrund. Sie begleiten die eigentliche Geschichte, das eigentliche Drama und Hauptthema. Genauso wie Albertas Geschichte nicht direkt irgendwie den Hauptschwerpunkt entlarvt. Es geht nicht um die Beziehung von Alberta - Hannes - James. Es geht auch nicht um Hitler und das Nazireich, dass die Geschichte eine Mahnung sein soll. Nein, es geht um etwas viel schöneres, etwas größeres, etwas viel, viel wichtigeres, woran auch mein Herz hängt.
Aber bevor ich dazu komme möchte ich noch einmal auf die hervorragende Detailgenauigkeit eingehen, mit der die Geschichte geschrieben worden ist. Natürlich gab es einige Menschen, die im Buch erwähnt werden wirklich und die Geschehnisse sind auch sehr gut wiedergegeben. Nicht überzogen sondern eher überraschend ehrlich, auf gewisse Art auch verurteilend, aber da es aus Sicht von Alberta geschrieben ist, die eigentlich nur für den Sport lebt und selbst im Hitler-Deutschland angesehen ist, aber die braunen Vorstellungen überhaupt nicht teilt, kommt es einem nicht beleidigend vor. Nicht verletzend, auch wenn man es selbst liest. Außerdem und das muss man der Autorin wirklich lassen hat sie das Prinzip: "Du spurst oder wir packen deine kleinen schmutzigen Geheimnisse (wie ein Kind mit Behinderung oder eine Verbindung zu einem Juden) aus und machen dir das Leben zur Hölle" sehr gut dargestellt. Tatsächlich ist ja mittlerweile auch viel darüber bekannt, dass es NS-Funktionäre gab, die Leichen im Keller hatten. Z.B. waren sie Halbjuden hatten einen "verrückten Onkel" oder ähnliches.
Ebenso bewundernswert finde ich Albertas Kampfgeist. Genauso wie sie von Olympia träumt, von einer Medaille für ihr Land, genauso kämpft sie um diejenigen, die sie liebt. Natürlich macht sie Fehler, sie ist jung, sie ist ungestüm, sie ist ein freiheitsliebender Wildfang. Aber das mit den Fehlern beruht absolut auf Gegenseitigkeit. Die Geschichte bekommt dadurch noch einmal viel mehr Dramatik, die nicht nur auf dem Leben in Deutschland ab 1932 bezogen sind, sondern eben die emotionale Ebene, die auch sehr verzwickt ist. Beispielsweise lieben sich Hannes und Alberta, James und Alberta haben jedoch auch Gefühle füreinander, auch wenn beide das 1932 noch nicht beurteilen können, welche das sind. Doch als Alberta mit James durchbrennt um sie das Olympiastadion anzuschauen in dem alles begann - Kallimarmaro in Griechenland - und damit das Vertrauen zwischen Hannes und sich zerstört, begeht auch Hannes einen schweren Fehler, von dem Alberta jedoch erst 1945 erfährt. Aber ich will nicht zu viel vorweg nehmen.
Ein weiterer Punkt, der das Buch sehr emotional macht ist die Art, wie es geschildert ist, dass man damals einfach unheimlich schnell in einen Sog gezogen werden konnte, aus dem man sich kaum oder gar nicht befreien konnte. Das man instrumentalisiert wurde, etwas darzustellen, was nach Glanz und Gloria schrie. Wie Hannes und Alberta, welche im Buch zur Olympiade 1936 in Berlin als "Traumpaar des deutschen Sport" stilisiert werden. Dadurch treten im Prinzip noch mehr Probleme auf, Hannes und Albertas Beziehung, ohnehin schon angeknackst, verändert sich. Auch sosehr, dass Alberta und Hannes nach ihrer Hochzeit immer mehr streiten, da Hannes sich genau im Würgegriff der Partei befindet und Alberta mit den Dingen, die sie von ihm verlangen meist nicht einverstanden ist. Sie ist ein echter Sportsgeist, bei ihr geht Fairness über alles. Rassenunterschiede kennt sie nicht.
Als dann der kleine Fritze, der Sohn ihrer verstorbenen Zwillingsschwester und eine Form von Epilepsie hat, von Hannes in ein Sanatorium gesteckt wird, weil es so verlangt wird, damit er nicht an die Front geschickt wird, ist es bei Alberta auch mit dieser Geduld vorbei.
Sie ahnt, dass die sogenannten "Genesungsheime" nichts anderes sind als Häuser des Todes mit denen behinderte Menschen ausgemerzt werden sollen. Daraufhin kommt es erneut zu einem tiefen Bruch und durch den Parteidruck auf Hannes auch zur Scheidung, aber dennoch währt ihre Liebe auf gewisse Art und Weise weiter, weshalb nach vielen Umwegen und Umständen, am Ende des Krieges die gemeinsame Tochter zur Welt kommt.
Doch worum es doch dann im Hauptteil geht und das finde ich bewundernswert, denn es ist so schön ins Buch eingearbeitet, dass man gar nicht merkt, was "the Maintheme" ist (um mal das Denglisch mal zu nutzen). Denn die Geschichte im Friedrich und zum Ende auch um James, um Albertas lebenslanges Engagement rund um die Paralympics und den Behindertensport sind eigentlich die Dinge, die das Buch ausmachen. Man merkt es nicht, es fließt immer wieder in das Buch mit ein. Menschen mit Behinderungen und Sport. Benachteiligung jener Menschen. Die Verwehrung von Rechten, die jedem eingeräumt werden sollten. Ich bin selbst ehrenamtlich im Behindertensport tätig und ich finde es brillant geschrieben. Denn durch Menschen wie Friedrich, der mit einer Krankheit auf die Welt kam oder James, der als Kriegsheld auf ewig gelähmt bleiben wird und die hier im Buch beschrieben sind, erfährt man als Leser, dass es Menschen hinter den Beeinträchtigungen gibt. Menschen, die es wert sind sie kennen zu lernen. Menschen, die genau die gleichen Rechte haben sollten, wie du und ich. Die Ganze Zeit über habe ich nicht gemerkt, was der Kernpunkt ist, aber auf den letzten Seiten hatte ich endlich begriffen, dass es nicht nur um den Sportsgeist geht, Jennys Kampf für Olympia. Dass es nicht um Albertas tragische Geschichte geht. Und als ich das endlich begriffen hatte, begriffen habe, dass eigentlich auf die Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung, insbesondere Sportler mit Behinderung angespielt wurde, musste ich schon beinahe ein oder auch zwei Tranchen verdrücken.
Mir persönlich ist es ein ebenso großes Anliegen den Behindertensport öffentlich zugänglicher zu machen. Zu zeigen, dass diese Menschen großartige Leistungen erbringen und super tolle Menschen sind. Für mich ist dieser Bereich in den letzten Jahren ein Teil meiner sportlichen Familie geworden und ich engagiere mich sehr gerne dafür. Denn jeder Sportler, der dafür lebt und trainiert, sollte es einmal erleben dürfen und zwar genauso wie die "normalen" Sportler, dass die olympische Fackel nur für sie entfacht wird. Ob im Geiste oder in Wirklichkeit.
Das ist der Grund, weshalb mir das Buch so super gefällt.
Ach ja stilistisch und sprachlich natürlich auch, die Sprünge zwischen Vergangenheit und Gegenwart sind sehr gut durchdacht und die Unterbrechungen halten die Spannung sehr gut aufrecht. Genau an den richtigen Stellen kommt ein Split, wodurch man neugierig und gespannt bleibt.

Noch faszinierender als den Rest des Buches fand ich jedoch den Nachsatz am Ende des Buches: Die Paralympischen Spiele in London 2012 waren die ersten Spiele, wo ein Stadion ausverkauft war. Einfach toll.

Wahnsinn ich glaube so ausführlich war ich noch nie. Deswegen hier:

Mein Fazit: Für Sportlerherzen und Menschen, die hinter die Kulissen blicken wollen.

Liebe Grüße,

eure Michelle

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